Ob an Brücken oder Hauswänden, JR liebt es, mit übergroßen Gesichtern in
schwarzweiß Aufsehen zu erregen. Mit
seiner aktuellen Reihe „Wrinkles of the
City“ macht der französische Street-Art-Künstler „JR“, dessen bürgerlicher Name
unbekannt ist und auch bleiben soll, nun endlich Halt in Berlin. Nach Shanghai,
Los Angeles und Havanna. Eine Ehre für Berlin. Über eine Woche war er mit
seinem Team in der Hauptstadt unterwegs und tapezierte die Gesichter von in
Berlin lebenden Rentnern an alte Fassaden.
Mit jedem seiner Projekt verbindet er eine Message, diese
könnte sein: der Respekt vor dem Alter – sowohl alternden Menschen als auch den
historischen Gebäuden gegenüber. Eine verwitterte Fassadenfläche also vergleichbar
den Falten eines alternden Gesichts.
Für mich zählt JR, neben Banksy und Obey, zu den
faszinierenden Künstlern unserer Zeit. Schon länger werden die Werke dieser und
weiterer Street Artists auf dem Kunstmarkt zu steigenden Preisen verkauft. Eine
echte Wertanlage.
Ich kann mich für jegliche kreative Art von Straßenkunst begeistern,
und ich rede hier nicht vom üblen Geschmiere und „Getagge“, sondern von Werken,
bei denen sich der Künstler was denkt,
uns gewissermaßen eine Message hinterlässt, zum Denken anregt oder einfach nur
Farbe ins triste Straßenbild zaubert. Eine interessante Entwicklung und somit schmale Gradwanderung zwischen
legal und illegal ist deren Art – JR bringt seine Kunstwerke aus Papier an die
Wände, somit ist es nur bedingt Sachbeschädigung, es kann ja durch reichlich
Wasser wieder abgelöst werden bzw. es löst sich über die Zeit von selber wieder
ab.
Jedes einzelne Bild entsteht wie folgt: JR sucht sich
Gesichter in der jeweiligen Stadt, fotografiert sie, entwickelt die Bilder,
sucht die passende Fassade, lässt das Foto auf überdimensionale Große abziehen
(besteht dann aus mehreren Papierbahnen) und diese werden dann mit reichlich
Leim (da hat der Künstler sein eigenes Mischungsrezept) auf die auserwählte
Wand gebracht.
Bild Nr.3 |
Bild Nr.4 |
Bereits 2011 streifte ich systematisch durch die Straßen von
Los Angeles auf der Suche nach neuen Bildern von JR. Ich freute mich wie ein
Schneekönig, wenn ich ein Neues entdeckte und mit meiner Kamera festgehalten
habe. Nun durchkämme ich seit Tagen Berlin. 13 Bilder habe ich bereits
ausfindig machen können, angeblich sollen es mehr als 15 sein. Mit dem Fahrrad
unterwegs und die Kamera immer dabei ziehe ich meine Runden, in der Hoffnung
wieder ein Bild zu entdecken oder einen neuen Hinweis zu finden.
Bild Nr.5 |
Bild Nr.6 |
Bild Nr.7 |
Bild Nr.8 |
Bild Nr.9 |
Bild Nr.10 |
Bild Nr.11 |
Als ich vor
einigen Tagen Bild Nummer 11 entdeckte kamen mir ein Paar Jungs aus JRs Team
entgegen, auf die Frage nach dem Standort weiterer Kunstwerke schmunzelten sie
nur und sagten, die Stadt wäre zu groß, um sich jeden Ort zu merken. Na
wunderbar, dachte ich und wurde umso mehr zur Suche angestachelt.
Die Berichterstattung in den Berliner Medien hingegen war in
meinem Augen sehr mau, der „Tagesspiegel“ brachte nur ein paar mickrige Zeilen
und machte aus JR obendrein einen New Yorker. Und alle anderen, die was zu dem
Thema brachten, schrieben alle das Gleiche. Schon etwas traurig. In Amerika
sind Künstler wie JR, Banksy und Obey geradezu Popstars.
Selbst Beyonce und Jay-Z unterhielten sich jüngst länger auf
der Art Basel in Miami mit JR über sein Projekt in Havanna, was sie wohl auch
dazu brachte, sich prompt selbst ein Bild vor Ort zu machen. Sehr gewagt für
einen Amerikaner, wo doch die direkte Einreise nach Kuba aus den USA unter
Strafe steht. Aber gut, das zu vertiefen führt vom Thema ab.
Bild Nr.12 |
Wen ich mit meiner Begeisterung neugierig machen konnte,
sollte sich in der Galerie Henrik Springmann http://www.galeriespringmann.de ein
paar Werke von JR ansehen, die dort bis zum 25. Mai 2013 ausgestellt und
gekauft werden können. Des Weiteren wird
eine wunderbare Dokumentation gezeigt über „Wrinkles of the City – La Havanna“,
absolut sehenswert.
Bei meiner Begegnung mit JR zur Galerieeröffnung wirkte er
sehr entspannt, trotz der ganzen Arbeit der vergangenen Tage. Er freute sich
sehr über mein mitgebrachtes Geschenk - ein Foto eines seiner Werke in Los
Angeles, was ich 2011 in meiner Nachbarschaft Echo Park aufgenommen und mit
einem eigens handgefertigten Holzrahmen versehen habe.
JR hat Berlin schon vor einigen Tagen verlassen, um bei der
Premiere seiner Dokumentation „Inside Out“ am 20. April 2013 beim New
Yorker TriBeCa Filmfestival dabei sein
zu können. Via Instagramm veröffentlich er immer wieder neue Bilder seiner
Werke, die er gerade erschaffen hat, so hat man stets das Gefühl mitzureisen
und ihn bei seinem Schaffen auf der ganzen Welt zu begleiten.
Das war´s mal wieder kurz und knapp. Danke für`s Lesen und bis baldo,
Euer Echo Girl (photos copyright by Echo Girl)