In der Nacht werde ich von heftigem Regenfall, Blitz und Donner
geweckt. Es ist 4 Uhr, und mir schießt sofort durch den Kopf, dass wir heute
eigentlich unsere Tour nach Nantucket auf dem Zettel haben. Neben Marta´s
Vineyard eine weitere Insel, die vor Cape Cod gelegen ist. Während ich so
grübele, was Plan B wäre, fallen mir die schweren Augenlider wieder zu. Am
Morgen hat sich die Lage nicht wirklich geändert: etwas weniger Regen zwar,
aber der Himmel ist trüb und ein einziger dunkler Brei. Verdammt. Noch einen
Tag in Provincetown bleiben? Trotzdem auf das Island? Oder einfach erst mal die
Küste runter fahren, bis zur Fähre, und dann schauen, wie Wetter und Laune sind.
Yepp, so machen wir´s. Wir verabschieden uns von Bill und seinem Mann, nach
einem langen Plausch über Reisen und was die beste Route durch Deutschland
wäre, wenn man alle seine Wunschorte berücksichtigt. Hier würden wir jederzeit
wieder einkehren, bei den Zweien.
Die Orte wirken durch den Dauerregen wie ausgestorben. In Hyannis,
wo die Fähre nach Nantucket an- und ablegt machen wir einen Stopp und
besichtigen das John F. Kennedy-Museum.
Es werden Fotos und kurze Filme
gezeigt, die die Kennedys unbeschwert und fröhlich auf Cape Cod zeigen, wo sie
seit 1927 bis heute ihren Wohnsitz in Hyannisport haben.
Von Nantucket und
Martha´s Vineyard, den beiden Inseln, ist auch immer wieder die Rede, was uns
in Erinnerung bringt, was unser eigentlicher Tagesplan war. Da uns Hyannis als
Städchen nicht so recht zusagt, entscheiden wir uns die Überfahrt nach
Nantucket komplett zu streichen und uns für den morgigen Tag Martha´s Vineyard
anzunehmen. Schließlich sind tags drauf Sonnenschein und 20 Grad angesagt, na ja
laut Wetterbericht, aber wann kann man dem schon mal vertrauen. Wir fahren also
weiter nach Falmouth, wo wir am nächsten Morgen die Fähre nach Martha´s
Vineyard nehmen. Die Vorhersage sollte Recht behalten, der Himmel strahlt blau
ohne ein Wölkchen, so als wäre nichts gewesen.
Vor dem Einfahren des Steamships in den Hafen läutet eine metallerne
Boje beim Vorbeifahren - vom Wiegen der Wellen. Mir fällt sofort die Sequenz
aus “Jaws - Der weiße Hai” ein, wo eine junge Frau fröhlich ins Wasser springt,
um ein Wettschwimmen um eine solche Boje zu veranstalten. Sie schafft es bis zu
dieser und wird dann vom gierig-hungrigen Hai erwischt. In ihrer Verzweiflung
hält sie sich an der Boje fest. Die Glocke hört man noch ewig schlagen, jedoch
ist von der jungen Frau nichts mehr zu sehen. Ich fand die Szene so gruselig.
Wie man sieht, krass eingebrannt im Kopf.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Insel zu erkunden, wenn man
denn möchte. Entweder man nimmt sein Auto mit (seeehr teuer - 70$ oneway), man
mietet sich ein Roller (wofür wir uns entscheiden) oder man ist per Fahrrad
unterwegs, jedoch schafft man so die Umrundung der Insel nicht an einem Tag.
Es
hat so ein Feeling von auf Helgoland ankommen, wenn man in Oak Bluffs anlegt.
Das Steamship spuckt zahlreiche Menschen und Autos aus und belädt im Anschluss
gleich wieder für die Rücktour. Ich möchte mir das Szenario gar nicht in der
Hauptsaison vorstellen. Anfang Juni und unter der Woche ist es entspannt, die
Fähre war nicht einmal halbvoll. Auf unserem tuckernden Roller, der schon
einige Stürze hinter sich hat, fahren wir von Oak Bluffs nach Edgartown.
Parallel zum Strand verläuft die leere, zwei-spurige Straße und der salzige
Meerwind bläst uns ins sonnengewärmte Gesicht. Wir können nicht anders und
legen uns für ein paar Minuten an den schönen Sandstrand, schließen die Augen
hören den Wellen beim Rauschen zu. Was für ein Geschenk, was für ein Tagesbeginn.
Die Entfernungen auf der Insel und zwischen den wenigen Orten sind
nicht zu unterschätzen. Wir verbringen ein Großteil unserer Zeit auf unserem
motorisiertem Freund, der sich an dem ein oder anderen Hügel mit 50 cc etwas
quälen muss, aber unter Ächzen uns die Treue hält. Etliche Radfahrer sind auf
der Insel unterwegs, sehr ungewöhnlich für Amerikaner, die ihr Auto so lieben
und wo Fahrradfahren zu lernen nicht die Regel ist. So werden wir Zeuge, wie
eine Dame einfach so die Kontrolle über Ihr Zweirad verliert und wie einst Jan
Ullrich bei der Tour de France ins Gebüsch fährt bzw. fällt. Sofort halten wir
an, und ich laufe den Weg zurück, um der Dame zu Hilfe zu eilen. Ihr Mann, der
das laute Krachen hinter sich gehört hat, ist mittlerweile auch bei ihr. Das
sah nicht gut aus, denk ich so bei mir, während ich die Pflaster, die ich nun
seit einem Rasierer-Unfall vor paar Tagen im Gepäck dabei habe, heraus suche.
Die beiden stehen unter Schock und sind etwas neben sich. Außer einem
verletzten Finger kann die Frau, die glücklicherweise einen Helm trug, nicht
berichten. So lege ich der Dame ein Pflaster um den blutenden Finger und rede
ihr gut zu. Die beruhigenden Worte scheinen Wirkung zu zeigen. Was für ein
Schreck.
Auf der Insel hat sich im übrigen ein anderer tragisch und tödlicher
Unfall anno 1969 ereignet. Bis heute ist der Chappaquiddick-Incident, wie man
ihn auch nennt und in den Ted Kennedy, der jüngste Bruder von JFK, verwickelt
war nicht 100% geklärt. Wer die Story kennt, einfach überspringen, und beim
nächsten Absatz weiterlesen.
Also dit war so jewesen, so berichtet man jedenfalls: Am späten
Abend des 18. Juli 1969 verlor Ted Kennedy die Kontrolle über seinen Wagen und
stürzte über die Brüstung der Dike-Gezeiten-Brücke. Er konnte sich wie von
Geisterhand unverletzt aus dem im Wasser sinkenden Wagen retten, jedoch steckte
seine Beifahrerin, die 29-jährige Mary Jo Kopechne, fest. Ted verließ den
Unfallort und meldete erst, halt Dich fest, 10 Stunden später der Polizei was
geschehen war, worauf diese Rettungskräfte sofort loszogen. Der Wagen mit der toten
Mary wurde geborgen. Als sei das nicht schon tragisch genug, kommt noch eins
obendrauf. Ein Gutachter sagte später, die Rettungskräfte hätten Teddies
damalige Sekretärin und Wahlkampfhelferin eventuell retten können, wenn er nur
den Unfall sofort gemeldet hätte. Durch das schnelle Absinken des Wagens hatte
sich wohl eine Luftblase im Wageninneren gebildet, so das Mary auch unter
Wasser noch einige Zeit gelebt haben muss. Wie tragisch und gruselig zugleich! Es
ist bis heute unklar, warum Mr. Kennedy, der spätere Senator von Massachusetts,
den Unfall erst so verspätet meldete – man munkelt er hätte unter starkem
Alkoholeinfluss gestanden. Vor Gericht gab er jedenfalls an, so steht es im
Protokoll, er habe mehrfach nach Mary getaucht. Am Ende der Verhandlung wurde
er wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu zwei Monaten auf Bewährung
verurteilt. An die Familie der jungen Frau wurde Schmerzensgeld in Höhe von
50.000 Dollar von der Versicherung und 90.000 Dollar aus Teddies Privatvermögen
gezahlt.
Von Edgartown kann man mit einer kleinen Fähre zu besagter Insel (kurz Chappy genannt) übersetzen, was wir auch tun.
Neben einem privaten Strand-Club gibt es jedoch
nicht wirklich was zu sehen, ach ja doch: ewig lange Strände. Zurück in
Edgartown stärken wir uns und gönnen uns einen Drink mit Blick auf den Hafen.
In einem Souvenirladen entdecke ich ein Plakat und ihr werdet es nicht glauben, ich lag mit meinem Gedanken nicht so verkehrt. Hier wurde doch tatsächlich “Jaws” gedreht.
heute Souvenirladen - 1975Drehort für JAWS |
Leider wird´s mit der Location-Tour nichts, wir müssen weiter,
der Rest der Insel will noch gesehen und erkundet werden.
So brummen wir im Kreis
über die holprigen Straßen der Insel bis wir Oak Bluffs wieder erreichen und
besteigen die letzte Fähre nach Wood`s Hole. Die Sonne hat bereits unsere Haut
gefärbt. Wir sind glücklich und erschöpft zugleich. Was für ein schöner
Ausflugstag!
Das war´s mal wieder kurz und knapp.
Die Reise geht die nächsten drei Wochen weiter Richtung amerikanische
Westküste und ich bleib dran, davon zu berichten.
Liebe Grüße und bis
baldo,
Euer Echo Girl
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