Sonntag, 6. Februar 2011

Mein Sonntag in der Notaufnahme

Sonntag Mittag in der chirurgischen Notaufnahme eines Berliner Krankenhauses. Auf dem Gang der Notaufnahme drängen sich Patienten jeden Alters. Nach und nach bekomme ich beim Warten die Geschichten zwangsläufig mit. Es ist ein Uhr und mit mir warten: ein schüchterner Junge mit seiner besorgten Mutter – ihm wurden am Donnerstag zwei Weisheitszähne gezogen und nun hat der Teenager puckernde Pausbacken. Des Weiteren ein junger Mann mit seiner Freundin, ich würde schätzen aus der Weddinger Gegend. Erst weiß ich nicht so recht was er hat, schließlich liegt er auf einer Liege im Gang, hat seinen Arm übers Gesicht gelegt und scheint zu ruhen. Seine Freundin hingegen erzählt laut übers Telefon erstmal im feinsten Berliner Slang einer Freundin, was ihnen Abgefahrenes passiert ist und wie scheiße jetzt der Bastie da auf der Trage vor ihr liegt. Mein Blick fällt sofort auf den armen Bastie, der jedoch bleibt relaxt und scheint weiter zu ruhen.
Während ich meine Wartegruppe so studiere, wird durch die Eingangstür eine Liege von zwei Sanitätern in die Notaufnahme geschoben. Auf der Trage ein Mann, den es schwer erwischt haben muß. Wie sich später rausstellt, wurde er überfallen und mit einer Bierflasche niedergeschlagen. Die Schwester mustert den Neuankömmling und sagt zum Sanitäter: „ja, stell ihn mal da in die Ecke, ham`gerade viel zu tun“. Daraufhin sagt der Sanitäter bestimmt „nix hier mit in die Ecke stellen, auf den müsst ihr gleich `nen Blick werfen“. Neben mir sucht ein Arzt das Gespräch zum Pausbacken-Jungen, der kaum ein Wort rausbekommt, somit springt seine Mutter ein. Es solle Blut abgenommen werden, um festzustellen ob sich die Wunde entzündet hat, wo früher die Weisheitszähne mal standen. Der Junge bekommt blitzschnell große, ängstliche Augen und die Mutter tätschelt ihm die Hand und beruhigt ihn. „Das Blut nehmen sie nicht aus der Wunde, sondern aus dem Arm“ und so verschwinden sie mit dem Arzt im Behandlungsraum.
Die Schwester hat sich dem Schwerverletzten zugewendet, weicht gleich einen Schritt zurück als sie die Alkoholfahne des Mannes riecht und ruft einen Pfleger zur Hilfe. Erste Notversorgung, dann gehts für ihn zum Röntgen.
Mittlerweile ist Bastie von den Toten aufgewacht und winkt erstmal seine blondierte Freundin an die Liege. Jetzt wird klag was der Gute hat – am Hinterkopf wird eine genähte Platzwunde sichtbar. Anscheinend ein Andenken an letzte Nacht, denn als die Schwester ihm die Blutwerte mitteilt, kann sie es sich nicht verkneifen, auch auf die 1,25 Promille hinzuweisen. Seine Freundin nimmt ihn in den Arm und sagt „als erstes wäschste dir zu Hause die Haare, siehst echt Assi aus Alter...“ (wohlbemerkt Bastie hat nen Bürstenhaarschnitt von 5 mm). Tja, auf was es heutzutage alles ankommt ;-) Ich könnte Euch noch bestimmt 20 anderes Geschichten erzählen, die in meiner Wartezeit passiert sind...u.a. ein Hertha Nachwuchsspieler mit Sprunggelenksverletzung, ein Mann dem beim Renovieren Tapetenablöser ins Auge gespritzt ist, ein Blut-Bote der sich am Eingang den Kopf blutig gestossen hat, und so weiter und so weiter .
Immer wieder kommen neue Patienten durch die automatische Tür geschritten, gerollt oder gestützt. Gegen 16 Uhr wird es endlich etwas ruhiger. Ich warte immer noch. Ein kurzes durchatmen für die Pfleger, Schwestern und Ärzte, die sich bemühen dem Ansturm Herr zu werden und trotzdem ihre gute Miene behalten.
Schon eine halbe Stunde später füllt sich der Wartesaal bereits wieder. Ältere Damen, die auf dem Gang „zwischengelagert“ werden, bis die Ergebnisse ausgewertet und weitere Schritte beschlossen sind. Wartende, besorgte Angehörige und Patienten. Ich weiß gar nicht wie oft ich in den 6 Stunden Wartezeit die Frage „Wie lange wird es noch dauern?“ gehört habe. Eine Frage die hier niemand beantworten kann, schon gar nicht bei dieser Wochenend-Notbesetzung.
Als ich gegen Abend die Notaufnahme verlasse, bedanke ich mich bei der Schwester, die sich darüber sehr freut und denk nur so bei mir - Was für ein Hammer-Job und das Tag ein Tag aus. Wow, mein Respekt.

Vielen Dank fürs Lesen und auf baldo,
Euer Echo Girl

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